Der CDU-Gemeindeverband Bad Essen hat sich im Haus Sonnenwinkel über die Arbeit in der Clearingstelle informiert. Seit Anfang Oktober sind zehn unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) in einem separaten Trakt der Familienferienstätte untergebracht.  Die Vorsitzende Ann Bruns hatte als Gast die Landtagsabgeordnete Gerda Hövel eingeladen.

Im Landkreis Osnabrück gibt es derzeit drei Clearingstellen – zwei davon in der Gemeinde Bad Essen. Sowohl die Einrichtung auf dem Essenerberg als auch die zum 1. Januar eröffnete Clearingstelle in Wehrendorf werden vom Verbund Sozialer Dienste (VSD) geführt. 20 Jugendliche aus sechs Nationen – Albanien, Irak, Pakistan, Syrien, Afghanistan und Somalia – werden in den Einrichtungen betreut, jeweils zehn pro Clearingstelle.

20 umA von 3643 (Stichtag 3. Dezember 2015) in Niedersachsen. Nach dem Königsteiner Schlüssel muss das Bundesland aber 5971 unbegleitete minderjährige Ausländer aufnehmen – nämlich exakt 9,72 Prozent aller umA in Deutschland (61412). Auf den Landkreis Osnabrück wiederum entfallen 4,5 Prozent der umA in Niedersachsen – insgesamt 269. Bis zum 11. Dezember 2015 waren allerdings „nur“ 173 umA im Kreis Osnabrück untergebracht.

Nils Bollhorn informierte die CDU-Mitglieder über all diese Zahlen und Entwicklungen. Der ehemalige Jugendpfleger der Gemeinde Bad Essen ist pädagogischer Leiter beim Verbund Sozialer Dienste und beim Kinderhaus Wittlager Land. „Wir sind im Juli angesprochen worden, ob wir schnellstmöglich eine Clearingstelle eröffnen können. Wir brauchten Immobilien, Personal, Konzepte – und das alles in sehr kurzer Zeit“, erinnerte er sich. Es gebe zwar Handlungsempfehlungen, an denen sich Clearingstellen orientieren können. „Die Konzepte unterscheiden sich aber je nach Träger“, so Bollhorn. Der VSD setze bewusst auf kleine Wohngruppen mit maximal zehn Plätzen. „Das ist von Vorteil für die praktische Arbeit. Jedes Bundesland hat aber andere Vorgaben für Gruppengrößen oder Personalschlüssel“, berichtete VSD-Geschäftsführer Tim Ellmer.

Anika Brinkmann, Leiterin der Clearingstelle auf dem Essenerberg, nannte den wichtigsten Vorteil: „Sie können sich nicht aus dem Weg gehen, sondern müssen miteinander klar kommen und kommunizieren.“ So seien mittlerweile Freundschaften entstanden, die für Menschen gewisser Nationen eigentlich unvorstellbar erschienen. „Sie sehen den Menschen, nicht die Nationalität“, sagte Brinkmann. Die Jugendlichen seien zudem sehr fleißig, lernen oft gemeinsam bis spät in den Abend. Seit Anfang Januar gibt es für sie und andere umA eine Klasse an der BBS Melle, vorher hatten sich die eigenen Fachkräfte darum gekümmert, dass die Jugendlichen Deutsch lernen. 

Das Personal muss bestimmte Qualifikationen aufweisen, um mit den umA arbeiten zu dürfen. „Jeder, der nicht Fachkraft ist, benötigt eine Ausnahmegenehmigung“, sagte Ellmer. Angesichts des großen Bedarfs an Fachkräften bundesweit sei der Markt leer. Die Qualifizierung sei ein „nicht unerheblicher Kostenfaktor“, mache aber Sinn. „Wir haben zwei Qualifizierungskurse für pädagogische Fachkräfte zur Arbeit mit umA aus dem Boden gestampft“, so der Geschäftsführer. Die eigenen Fachkräfte hätten sicherlich einen Teil der Inhalte selber anbieten können. Man habe sich aber für externe Fachkräfte entschieden. An den Kursen können auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Clearingstellen teilnehmen.

Drei bis sechs Monate bleiben die Jugendlichen auf dem Essenerberg oder in Wehrendorf. „Was passiert dann?“ interessierte die Politiker. „Im Idealfall haben sie Verwandte in Deutschland, die bereit sind, sie aufzunehmen. Aber auch das muss sorgfältig geprüft werden. Die Jugendlichen brauchen viel Geduld“, so Bollhorn. Eine Rückkehr in die Heimat sei eine weitere Option, die auch von einigen in Erwägung gezogen werde.

Ziel der Arbeit in der Clearingstelle ist es, die umA auf den hiesigen Arbeitsmarkt vorzubereiten und sie letztlich in diesen zu integrieren. „Das Clearing bringt ja nur etwas, wenn Anschlussmaßnahmen vor Ort möglich sind. Die Mehrheit unserer Jugendlichen kann eine eigene Wohnung beziehen oder mit anderen umA in eine WG gehen. Es reicht dann, wenn ein Mitarbeiter für ein paar Stunden in der Woche vorbeikommt“, sagte Bollhorn. Ab dem 1. Februar werde das Kinderhaus Wittlager Land diese Anschlusshilfe anbieten.

Auf Nachfrage der Gäste, ob die Leiterinnen Probleme mit den Jugendlichen aufgrund ihrer Rolle als Frau haben, betonten Anika Brinkmann und Cleo Sosnowski, dass es diesbezüglich keine Schwierigkeiten gebe und die Jugendlichen ihnen mit viel Respekt begegnen. Die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten hätten sie sogar zusätzlich verunsichert. „Sie sind ja vor Kurzem in die Schule gekommen und haben uns vorher gefragt, ob sie überhaupt noch mit Mädchen reden dürfen“, erzählte Brinkmann.

Ann Bruns bedankte sich abschließend für den informativen Abend und freute sich, dass die Gemeinde Bad Essen in diesem Bereich so gut aufgestellt ist: „Sie leisten hervorragende Arbeit. Ich hoffe, dass Sie, wenn wir uns in drei Monaten noch einmal treffen, viel Positives berichten können.“ Gerda Hövel war ebenfalls voll des Lobes: „Ich finde es schön, dass Sie den Jugendlichen Perspektiven bieten. Es hat mich beeindruckt zu erfahren, was alles damit zusammenhängt. Deshalb ist dieser Austausch mit Fachleuten auch wichtig, um politische Entscheidungen treffen zu können.“ Sie wolle die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Jugendlichen in die Fachgremien einbringen: „Ich möchte Sie unterstützen. Wenden Sie sich mit Ihren Anliegen ruhig an mich.“