Post löst keine Angst mehr aus
Am 21. März 2023 ist der Welttag der Sozialen Arbeit. An diesem Tag werden wir euch ein besonderes Video präsentieren. Bis dahin möchten wir euch jeden Tag einen anderen Bereich unseres Verbundes vorstellen. Mal auf der Internetseite, mal auf Instagram, mal auf Facebook. Heute haben wir ein Beispiel, welch große Hilfe unser Fachbereich Ambulantes Netzwerk für Frauen und Männer sein kann.
„Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“ ist ein überstrapaziertes Sprichwort. Im Falle von Johanna* trifft es aber zu wie die – ebenso abgedroschene – „Faust aufs Auge“. Sie war frisch getrennt, schwanger und schlichtweg überfordert mit der Situation. „Ich bin freiwillig zum Jugendamt gegangen und habe um Hilfe gebeten“, sagt die heute 29-Jährige.
2017 begann sie im Rahmen einer Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) mit Daniela Thews an ihren Problemen zu arbeiten. Hierbei stehen eigentlich Erziehungsfragen im Vordergrund. „Aber es hat sich schnell herauskristallisiert, dass es andere, wichtigere Dauerbaustellen gibt, die nichts mit der Erziehung zu tun haben“, so Thews. Sie leitet die Tagesgruppe der Kinderhaus Wittlager Land gGmbH in Bad Essen und ist im Fachbereich Ambulantes Netzwerk tätig. Johanna hatte damals Angst davor, die Post zu öffnen und sich mit den Rechnungen oder Anträgen auseinanderzusetzen.
Fast sechs Jahre ist das mittlerweile her. Was hat sich im Laufe der Zeit verändert? „Ich bin in Sachen Erziehung sicherer geworden. Ich traue mich, all die Briefe zu öffnen und gehe optimistischer an die Probleme heran. Daniela zwingt mich, Ordnung zu halten“, sagt die Betreuungskraft für Sterbe- und Trauerbegleitung mit einem Schmunzeln. Immer dienstags, an Johannas freiem Tag, treffen sie sich. „Ich kann auf Frau Thews zählen und sie jederzeit kontaktieren, wenn ich ihre Hilfe brauche. Ich hatte viele Selbstzweifel, aber sie nimmt mir die Angst.“
Manchmal werden all die Probleme auch beiseite geschoben, dann verbringen sie zu dritt einfach unbeschwerte Stunden miteinander. Daniela Thews habe immer tolle Ideen, wie zum Beispiel ein Picknick in einem Tierpark oder der Besuch eines Erlebnis-Bauernhofs. „Meine Tochter konnte da toben und ich einfach mal abschalten. Bei Frau Thews kann ich so sein wie ich bin“, sagt Johanna.
Die Fortschritte sind deutlich zu erkennen. „Wir möchten das festigen, was Johanna sich in den vergangenen Jahren erarbeitet hat“, sagt Daniela Thews. Das ist auch ganz im Sinne der alleinerziehenden Mutter: „Ich war ganz unten, da möchte ich nicht noch einmal hin. Ich will meiner Tochter ein Vorbild und die Mama sein, die sie verdient hat.“
In diesem Sommer reist Johanna mit ihrer Mutter nach England. „Wir standen uns nie richtig nahe. Aber mittlerweile haben wir ein tolles Verhältnis“, sagt sie. Ihr Wunsch ist es, eines Tages eine Reise nach Norwegen und Finnland zu machen. Wenn es soweit ist, wird sie den Umschlag mit den Reiseunterlagen sicherlich gern und sofort öffnen – ohne dass Daniela Thews sie ermutigen muss.
*Name geändert
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