„Wir haben Tränen gelacht“, „genial“ oder „es war spitze“: Jan-Uwe Rogge hat seinem Publikum in der Aula des Gymnasiums Bad Essen einen lustigen Abend beschert. Der Erziehungsberater nahm dabei kein Blatt vor den Mund und begrüßte etwa 200 Gäste schon mit den Worten: „Kinder finden Eltern ätzend, die zu Erziehungsvorträgen gehen – und das auch noch ankündigen.“ Ironisch, manchmal bissig, oft lustig aber immer wieder auch mit versteckten Botschaften: Rogge erzählte mehr als zwei Stunden lang aus seinem Programm „Kinder brauchen Grenzen“.

Die Lesung war der Abschluss einer Veranstaltungsreihe für Eltern und Pädagogen, die das Kinderhaus Wittlager Land und Charly’s Kinderparadies in Kooperation mit dem Fortbildungszentrum Haus Sonnenwinkel angeboten hatte. Um die Verpflegung an diesem Abend  hatte sich das Service-Team des Haus Sonnenwinkel gekümmert.

„Schreiben Sie nicht mit, lachen Sie einfach. Morgen haben Sie nichts mehr zu lachen“, scherzte der Autor. Oft seien „pädagogisch hyperaktive Eltern“ in seinen Vorträgen. „Und solche Eltern bekommen meist Schnecken.“ „Wiromanen“ seien wahrscheinlich ebenfalls im Publikum: „Das sind Elternteile, die immer wir sagen und Romane erzählen.“

Laut Rogge beruht die Erziehung auf verschiedenen Säulen wie Kinder, Eltern, Großeltern, Kindergarten oder Schule. Großeltern seien so beliebt, „weil sie die Eltern menschlich machen“. Sein Beispiel: „Die Kinder erfahren von Opa, dass der ,Alte‘ früher mal eine Granate war. Aber dann fragen sie sich, warum ist Papa heute so komisch?“ Das liege daran, dass Eltern gern den pädagogischen Konjunktiv benutzen: „Du könntest, wenn du wolltest“, „ich denke, du solltest“ oder „Wenn ich deine Chancen gehabt hätte…“

In der Erziehung habe sich im Laufe der Jahre viel verändert. „Früher sollten Kinder spielen. Heute sollen sie schön spielen. Aufräumen reicht auch nicht mehr. Sie sollen richtig aufräumen“, hat Rogge festgestellt. Und wenn dies nicht auf Anhieb funktioniere, dann komme der Name ins Spiel: „Jonathan, Jonathan bitte! Julius, Ju-li-us!“ Zusätzlich zu den Vornamen haben Kinder, so Rogge, heutzutage auch Rollen. „Eines Tages kam eine Mutter zu mir in die Praxis: ,Herr Rogge, das ist Paula, unser Sorgenkind.‘ Das brauchte sie mir nicht zu sagen, die Tochter sah aus wie sich die Mutter anhörte“, erzählte der Erziehungsberater. Seine Warnung: „Wenn man Kindern lang genug Rollen zuweist, bleiben sie irgendwann darin stecken.“

Eine Anekdote, die Fachkräften aus Kindergärten bekannt vorkommen dürfte, lautete: „Timmi kommt in den Kindergarten. Dort schnappt er das Wort Arschgeige auf. Arsch kannte er schon von Papa beim Autofahren. Geige vom abgebrochenen Geigenunterricht seiner großen Schwester. Als er seine Mutter eines Tages mit ,Hallo Arschgeige‘ begrüßte, und ihr linkes Auge zuckte, wusste Timmi: Treffer versenkt.“ Die Mutter sei durchgedreht, und das sei der Punkt: „Sie hat richtig reagiert. So eine Mutter ist den Kindern lieber als eine die sagt: ,Tim, du setzt dich bitte jetzt hier hin und erklärst mir, was eine Arschgeige ist‘.“ Rogge meint: „Seid authentisch. Dreht mal durch. Dann wissen die Kinder, dass ihr auf ihrer Wellenlänge liegt.“

Es sei einfach, Kinder anzunehmen, wenn sie funktionieren. „Aber steht auch zu euren Kindern, wenn sie im Supermarkt an der Kasse auf dem Boden liegen und ihr euch wünscht, dass sich der Boden öffnet. Zeigt allen: Das ist meiner, den kenne ich.“