Sie sind erschöpft von der beschwerlichen Reise, verstehen kein Wort und sind zunächst allein unter Fremden: Kinder mit Fluchterfahrungen stellen in der Regel eine enorme Herausforderung für Erzieherinnen und Erzieher dar. „Wie kann ein guter Start in der Kita gelingen? Welche pädagogische Arbeit können und müssen wir leisten? Dies sind zwei wesentliche Fragen, die wir im Laufe des Tages mit Ihnen klären möchten“, sagte Anna Peters. Sie ist bei Charly’s Kinderparadies für den Bereich Qualitätsmanagement zuständig und hatte den Fachtag „Kinder mit Fluchterfahrungen“ im Haus Sonnenwinkel organisiert.

Erzieherinnen aus den unterschiedlichsten Ecken des Osnabrücker Landes waren der Einladung gefolgt. Für manche von ihnen war dieses Thema neu, andere betreuen schon seit einigen Jahren Kinder mit Migrationshintergrund, die ohne Deutschkenntnisse in die Kita kommen.

Hanna Prinzler ist Sozialarbeiterin und Fachkraft für elementarpädagogische Sprachförderung im Kindergarten Wirbelwind (Bohmte). Sie berichtete von ihren Erfahrungen. Aktuell seien neun Kinder mit Fluchterfahrung in der Einrichtung. „Regeln oder ein strukturierter Tagesablauf sind für viele erst einmal ungewohnt“, so Prinzler. Die Eltern der deutschen Kinder hätten mitunter die Sorge, dass ihre Kinder zu kurz kommen. „Bei zwei oder drei Kindern mit Fluchterfahrung pro Gruppe kommt niemand zu kurz“, versicherte sie. „Die Kinder lernen voneinander.“

Die Verständigung sei natürlich eine Herausforderung. Aus diesem Grund habe man den Tagesablauf visualisiert und mit Symbolen versehen, etwa eine Uhr mit der entsprechenden Bring- bzw. Abholzeit. „Das gibt den Familien Struktur und Sicherheit“, sagte Prinzler. Die Eingewöhnung sei Balsam für die Seele der Eltern: „Die Kinder sind überwältigt von den Spielmaterialien. Und die Eltern freuen sich, dass sich jemand um ihr Kind kümmert und dass es unbeschwert draußen spielen kann.“

Eine Teilnehmerin fasste die Aufgabe der Krippen und Kindergärten so zusammen: „Wir versuchen, den Familien Halt und Geborgenheit zu geben. Die Kita muss ein Ort sein, an dem sie einfach Kind sein können.“

Als „sehr aufschlussreich“ behält Organisatorin Anna Peters den Vortrag von Prof. Dr. Jörg Maywald in Erinnerung. Er habe vor allem die Rechte der Kinder nachvollziehbar dargestellt. „Auch kam von ihm der Hinweis, dass wir alle – die komplette Gesellschaft, nicht nur Geflüchtete – uns in Richtung Vielfalt verändern müssen“, so Peters.

Der Mitbegründer des Berliner Kinderschutz-Zentrums stellte zunächst eine aktuelle Zahl vor: 65 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht, etwa die Hälfte sei minderjährig. „Es hat eine problematische Verschiebung gegeben: Unsere Belastung steht nun im Vordergrund, in den Medien ist von Ansturm, Flut, Lawine und Krise die Rede. Nicht mehr die Flüchtlinge kommen problembelastet zu uns, sondern unsere Belastung wird in den Vordergrund gerückt“, kritisierte der Psychologe. Den Kindern solle man vor allem freies Spielen ermöglichen, „denn ein Kind spielt nicht, um zu lernen“ – sondern um des Spielenwillens. Außerdem müsse die Meinung und der Wille des Kindes berücksichtigt werden, natürlich altersgemäß.

Den letzten Part übernahm Karin Präger, Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen in kommunaler und freier Trägerschaft im Landkreis Osnabrück. Sie habe noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Übergänge für geflüchtete Kinder möglichst bedürfnisorientiert zu gestalten. Der Fachtag endete mit einem Fallbeispiel, bei dem es um das Schubladendenken und um die eigene Reflexion ging.

Aufbauend zum Fachtag werden Fortbildungsinhalte angeboten, die in fünf Module gefasst sind. Los geht es an diesem Donnerstag mit dem Thema „Rechte und Bedürfnisse geflüchteter Familien“. Alle Veranstaltungen finden im Haus Sonnenwinkel statt. Weitere Informationen auf www.haussonnenwinkel.de/paedagogische-fachkraefte.de

Das Land Niedersachsen hat den Fachtag aus Mitteln zur Förderung der Teilhabe zugewanderter Menschen und der Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt gefördert.